Wie funktioniert der § 20 SGB V?

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Eckpunkte zur Kooperation von Fitnessstudios mit Krankenkassen im Rahmen von Präventionskursen

Fitnessstudios und Krankenkassen – ein Verhältnis, das in den letzten Jahren nicht selten von gegenseitigen Missverständnissen geprägt war. Zum einen haben viele Fitness-Studios nicht verstanden, was und in welcher Form sich eine Zusammenarbeit mit Krankenkassen verwirklichen lässt. Zum anderen wusste manch ein örtlicher Mit­arbeiter von  Krankenkassen nicht immer umzusetzen, was die jeweiligen Zentralen bereits beschlossen hatten.

Das größte Missverständnis scheint aber nach wie vor in der Frage der Umsetzung von Präventions- bzw. Gesundheitskursen im Sinne des §20 SGB V zu bestehen – bis hin zur missbräuchlichen Nutzung dieser gesetzlichen Möglichkeit.

Im folgenden Beitrag sollen daher zunächst die aktuell gültigen Eckpunkte zum § 20 SGB V im Überblick vorgestellt und kommentiert werden. Richtig verstanden, bietet sich dann in diesem Feld durchaus eine äußerst interessante Chance auch für gesundheitsorientierte Fitnessstudios, auf die dann abschließend hingewiesen wird.

Vorgaben des §20 SGB V
Bereits hier vorab in aller Kürze die wesentlichen „take home messages“.

■ Beim §20 SGB V geht es um Präventionskurse in Gruppen (i. d. R. Gruppen von 10-12, max. bis zu 15 Teilnehmern).
■ Die Kurse können außer zu den Themen Ernährung, Entspannung und Suchtmittelkonsum auch zum Thema Bewegungsgewohnheiten angeboten werden (sog. „Handlungsfelder“).
■ Ein Präventionskurs wird von einer/einem sog. Kursanbieterin/Kursanbieter (d.h. einer qualifizierten Trainerin/einem qualifizierten Trainer) durchgeführt („Anbieter“).
■ Der Kurs kann auch in den (Kurs-)Räumen von Fitnessstudios durchgeführt werden – das Studio stellt damit lediglich den Raum zur Verfügung; es ist grundsätzlich nur „Mittler“.
■ Die Kursgebühr wird vorab von den Teilnehmern an den Anbieter bezahlt.
■ Nach dem Kurs können die Teilnehmer bei ihren Krankenkassen eine Rückerstattung der Gebühr beantragen (i.d.R. 75 % der Kursgebühr).
■ Voraussetzung für Erstattung der Kasse an ihre Versicherten ist, dass sowohl der Kurs als auch der/die Kursleiter/-in von der Krankenkasse anerkannt sind.
■ Um anerkannt zu werden, müssen die Anforderungen des §20 SGB V, die konkret in den Kriterien des ­GKV-Leitfadens Prävention niedergelegt sind, erfüllt ­werden.
■ Die Anerkennungen erfolgen seit 2014 über die ­Zentrale Prüfstelle Prävention.

Gesetzliche Grundlagen
Für die Frage der Anerkennung von Kursen zur Prävention sind die Regelungen im Sozialgesetzbuch (hier §20 SGB V) für die Krankenkassen maßgeblich – einschließlich des GKV-Leitfadens Prävention (für die Umsetzung des §20 SGB V beschlossen) in der jeweils gültigen Fassung.

Anspruch des §20 SGB V
In §20 SGB V findet sich der folgende Passus:
„§20 SGB V Prävention und Selbsthilfe

(1) Die Krankenkasse soll in der Satzung Leistungen zur primären Prävention vorsehen, die die in den Sätzen 2 und 3 genannten Anforderungen erfüllen. Leistungen zur Primärprävention sollen den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen erbringen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen beschließt gemeinsam und einheitlich unter Einbeziehung unabhängigen Sach­verstandes prioritäre Handlungsfelder und Kriterien für Leistungen nach Satz 1, insbesondere hinsichtlich Bedarf, Zielgruppen, Zugangswegen, Inhalten und Methodik.

(2) Die Ausgaben der Krankenkassen für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach Absatz 1 und nach den §§20a und 20b sollen insgesamt im Jahr 2006 für jeden ihrer Versicherten einen Betrag von 2,74 Euro umfassen; sie sind in den Folgejahren entsprechend der prozentualen Veränderung der monatlichen Bezugsgröße nach §18 Abs. 1 des Vierten Buches anzupassen.

(3) u. (4) (weggefallen)“
Als Ziel ist in §20 also lediglich global „ ... den all­gemeinen Gesundheitszustand verbessern ...“ genannt – dieses dann noch unter besonderer Berücksichtigung der Verminderung sozialer Ungleichheit. Das wiederum kann über verschiedene „Zugangswege“ geschehen, entweder im sog. „Setting“ bzw. der „Lebenswelt“ (z. B. Kita, Schule, Betrieb) oder im „individuellen Ansatz“ ­
(z. B. Bewegungskurse).

Für Fitnessstudios kommen sicher in erster Linie die „klassischen Präventionskurse“ in Frage. Diese Präventionskurse richten sich an die einzelnen Versicherten (individueller Ansatz) und sollen sie dazu befähigen und motivieren, sich gesundheitsförderlich zu verhalten, sich also z. B. mehr zu bewegen.
Eventuell ist auch das eine oder andere Fitnessstudio daran interessiert, sich auch im Bereich Setting als Anbieter zu profilieren. Hier sind häufig vor allem die Betriebe genannt, die besonders interessieren
(§20a SGB V). Um aber dort ernst genommen zu werden, sollte das Studio sich in jedem Fall zunächst unter dem Stichwort BGM bzw. BGF (Betriebliches Gesundheitsmanagement bzw. Gesundheitsförderung) eine entsprechende Kompetenz angeeignet haben. Dann kann auch dieser Zugangsweg durchaus gangbar sein.

GKV-Leitfaden Prävention
Zur konkreten Umsetzung des Oberziels „Gesundheitszustand verbessern“ mussten vom Spitzenverband der Krankenkassen gemeinsam mit unabhängigen Sachverständigen so genannte „Handlungsfelder“ und auch die „Kriterien für Leistungen“ definiert werden. Diese legen fest, welche Leistungen im Sinne dieses §20 erbracht und von den Krankenkassen anerkannt und vergütet werden können.
Das ist schon vor Jahren passiert, immer wieder überabreitet worden und in der jeweils aktuellen Fassung ausführlich im sog. „GKV-Leitfaden Prävention“ nachzulesen. Wer sucht, der findet also diese wichtige Information am besten unter dem Stichwort GKV, da der „GKV-Spitzenverband“ der „Spitzenverband Bund der Krankenkassen“ gemäß §217a SGB V ist.

Entscheidend für die Umsetzung der Präventionskurse nach §20 SGB V ist der GKV-Leitfaden Prävention. Darin legt der GKV-Spitzenverband in Zu­sammenarbeit mit den Verbänden der Krankenkassen auf Bundesebene die sog. inhaltlichen Handlungsfelder und qualitativen Kriterien für die Leistungen der Krankenkassen im Sinne der §§20 bzw. 20a SGB V fest, die für die Leistungserbringung vor Ort verbindlich gelten.

Die Kenntnis des Leitfadens und die Beachtung seiner Regeln ist also unabdingbar, wenn eine Kursanbieterin oder ein Kursanbieter sich und / oder einen Präventionskurs von den Krankenkassen anerkennen lassen möchte.

Maßnahmen, die nicht den in diesem Leitfaden dargestellten Grundlagen entsprechen, dürfen von den Krankenkassen nicht im Rahmen von §20 und §20a SGB V durchgeführt oder gefördert werden. Das betrifft im Bereich der Fitnessstudios vor allem das Individualtraining oder das ausschließliche oder überwiegende Training an stationären Fitnessgeräten.
Handlungsfelder der Prävention
Was aber sind Handlungsfelder? Mit „Handlungsfelder“ werden die Lebensbereiche bezeichnet, für die Präventionskurse angeboten werden.

Für die Primärprävention im individuellen Ansatz nach §20 Abs. 1 SGB V lauten diese Handlungsfelder:

■ Bewegungsgewohnheiten,
■ Ernährung,
■ Stressmanagement und
■ Suchtmittelkonsum.

Für die betriebliche Gesundheitsförderung (§20a Abs. 1 SGB V) werden ähnliche, aber betriebsspezifischere Handlungsfelder genannt:

■ Arbeitsbedingte körperliche Belastungen,
■ Betriebsverpflegung,
■ Psychosoziale Belastungen (Stress) und
■ Suchtmittelkonsum.

Auch, wenn im Bereich von Fitnessstudios im Prinzip alle Bereiche relevant sein können, richtet sich das Hauptaugenmerk i.d.R. doch auf das Handlungsfeld Bewegungsgewohnheiten, so dass die folgenden Ausführungen sich ebenfalls darauf konzentrieren.

Handlungsfeld Bewegungsgewohnheiten
Angebote im Handlungsfeld Bewegungsgewohnheiten zielen auf:

a) die Reduzierung von Bewegungsmangel durch ge­sundheitssportliche Aktivität und
b) die Vorbeugung und Reduzierung spezieller gesundheitlicher Risiken durch geeignete verhaltens- und gesundheitsorientierte Bewegungsprogramme.
Diese beiden Zielrichtungen werden auch als „Präventionsprinzip“ bezeichnet. Während Prinzip a) sehr unspezifisch ist, geht Prinzip b) auf Risiken explizit ein. Daher sind auch die Kursangebote spezifischer, und für die Kursleiter gelten speziellere Voraussetzungen.

Wer ist „Anbieter“?
Grundsätzlich kommen für die Durchführung der Maßnahmen Anbieter (d.h. Kursleiter) mit folgenden Voraussetzungen in Betracht – immer unter Berücksichtigung der Ausführungen zu den einzelnen Präventionsprinzipien.

■ Grundqualifikation: Staatlich anerkannter Berufs- oder Studienabschluss im jeweiligen Fachgebiet (Handlungsfeld)
■ Zusatzqualifikation: Spezifische, in der Fachwelt anerkannte Fortbildung
■ Einweisung in das durchzuführende Programm
(ist ggf. in der Zusatzqualifikation enthalten).
■ Ferner müssen Anbieter über pädagogische, methodische und didaktische Kompetenzen sowie Berufserfahrung verfügen.
Im Handlungsfeld Bewegungsgewohnheiten gilt dazu laut GKV-Leitfaden für Präventionsprinzip a) Folgendes:

„Zur Durchführung entsprechender Maßnahmen kommen Fachkräfte mit einem staatlich anerkannten Berufs- oder Studienabschluss im Bereich Bewegung in Betracht, insbesondere

■ Sportwissenschaftler (Abschlüsse: Diplom, Staatsexamen, Magister, Master, Bachelor)
■ Krankengymnasten / Physiotherapeuten
■ Sport- und Gymnastiklehrer
■ Ärzte,

sofern diese im Rahmen einer Schulung in das durchzuführende Gesundheitssport-Programm speziell eingewiesen sind.“

Zusätzlich werden hier als Anbieter auch, entgegen der oben genannten Grundsätze, speziell ausgebildete Übungsleiter des DOSB zugelassen, die in speziellen Kursen tätig sind. (Nebenbei bemerkt, zukünftig auch ein Anliegen der Fitness-Fachverbände, diese Anerkennung auch für die im Fitnessbereich speziell Ausgebildeten zu erreichen.)
Bei Präventionsprinzip b) sind darüber hinaus weitere Voraussetzungen zu erfüllen, vor allem der Nachweis der Zusatzqualifikation einer anerkannten Institution für den jeweiligen Problembereich (z. B. Rück­en­schullehrer-Lizenz; vergleichbar in anderen Indikationsbereichen) und Einweisung in das durch­zuführende Bewegungsprogramm.

Prüfung und Zulassung von Anbietern und Kursen
Über die Zulassung aller Angebote (zu Bewegungs­gewohnheiten) entscheidet seit Beginn des Jahres 2014 die „Zentrale Prüfstelle Prävention“. Diese Stelle prüft und zertifiziert die Präventionskurse nach §20 Abs. 1 SGB V und vergibt bei erfolgreicher Prüfung das Prüfsiegel „Deutscher Standard Prävention“.
Die Prüfung erfolgt nach Aussage auf der Homepage „ und innerhalb von 10 Tagen“.

Abrechnungsmodalitäten
Nur, wer seine Kurse diesem Leitfaden entsprechend organisiert, hat Aussicht auf Anerkennung und Ver­gütung durch die Krankenkassen.
Wichtig zu erwähnen ist hier, dass nicht das Studio oder der Kursleiter/die Kursleiterin die Vergütung erhält, sondern dass die Leistungen der Krankenkassen sich an den einzelnen Versicherten richten, und zwar im Sinne der Erstattung von zuvor entrichteten Kurs­gebühren. Diese Erstattung beträgt i.d.R. 75 % der jeweiligen Kursgebühr.
Vorausgesetzt wird dabei, dass der Versicherte mindestens an 80 % der Kursstunden teilgenommen hat. Werden also Kurse im Sinne des §20 SGB V angeboten, so zahlen die Teilnehmer vorab die vereinbarte Gebühr (z. B. 100 Euro für zehn Unterrichtseinheiten) und erhalten nach Ende des Kurses unter Vorlage der Bescheinigung des Kursleiters über die erfolgreiche Teilnahme bei ihren Krankenkassen eine Erstattung von drei Viertel der Gebühr.

Krankenkassen fördern im Übrigen ausschließlich zeitlich befristete Maßnahmen und i.d.R. auch nur zwei, und zwar unterschiedliche (!) Handlungsfelder („Kurse“) pro Jahr, bzw. das gleiche Handlungsfeld nur alle zwei Jahre.

Ausblick
Um in den Genuss des Vergütungssystems für Präventionskurse zu kommen, ist die vorherige Anerkennung des Kursangebots und des Anbieters – aktuell über die Seite Zentrale Prüfstelle Prävention – erforderlich. Und hier gelten recht strenge Regeln hinsichtlich der Kriterien, wie etwa Prozess-, Struktur- und Ergebnisqualität.
Da sich der einzelne Trainer (Anbieter) erfahrungsgemäß äußerst schwer tut, den umfangreichen Antragsweg zu bewältigen, sollen in den nächsten Ausgaben von F&G Möglichkeiten erläutert werden, wie auf bereits bestehende Angebote und Hilfen zur Antragstellung und Abrechnung zurückgegriffen werden kann. Parallel dazu soll erörtert werden, wie Fitnessstudios sich in diesem System platzieren und daran partizipieren können.
Prof. Dr. Theodor Stemper

§20 SGB V
Download zum Sozialgesetzbuch, §20 SGB V
http://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbv/20.html

GKV-Leitfaden Prävention
Download des GKV-Leitfadens
http://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/presse/publikationen/GKV_Leitfaden_Praevention_RZ_web4_2011_15702.pdf

Zentrale Prüfstelle Prävention
Download zur Zentralen Prüfstelle Prävention
http://www.zentrale-pruefstelle-praevention.de/admin/

Quelle: F&G

Bilder: rcx - fotolia.com

Veröffentlicht am: 12. September 2014

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